New Work: Aspekte des Arbeitsschutzes in der neuen Arbeitswelt

Unsere Arbeitswelt befindet sich im Wandel – ganz gleich, aus welchem Blickwinkel betrachtet. Im Kern geht es - wie in vielen anderen Fällen auch – um Transformationen. Transformationen, die zum einen außerhalb unserer eigenen Einflusssphäre stattfinden und gegebenenfalls Reaktionen von uns erfordern und zum anderen solche, die wir selbst proaktiv gestalten oder zumindest mitgestalten können. Im Arbeitsschutz spannt sich dabei der Bogen von einer demografischen Entwicklung, die von Überalterung und Fachkräftemangel geprägt ist über allseits bekannte und regulatorisch vorgegebene Erfordernisse bis hin zu sich immer schneller entwickelnden Technologien, Prozessen und Projekten – und bezogen auf Arbeitsprozesse das alles zunehmend zeit- und ortsungebunden. Ein Bild, das unter den Gesichtspunkten des Arbeitsschutzes auf den ersten Blick äußerst komplex und herausfordernd wirkt. 

Fragen nach den Möglichkeiten der Zerschlagung dieses gordischen Knotens durch die betrieblichen Arbeitsschutzakteure drängen sich auf. Wie können Unternehmer und die von ihnen Beauftragten Personen weiterhin den Arbeitsschutzverpflichtungen wirksam und effizient nachkommen? Auf welche Entwicklungen auf dem Gebiet des Arbeitsschutzes müssen sie sich einstellen? Welche Folgen sind daraus zu erwarten?

Die neue Arbeitswelt | Arbeiten 4.0 | New Work

Es bedarf keines Blickes in die sprichwörtliche Glaskugel, um festzustellen, dass sich die Arbeitswelt von ihrem heute oftmals noch sehr statischen Konstrukt sehr schnell wegbewegen wird, wegbewegen muss. Starre Arbeitsplatzgrenzen weiten sich, neue Arbeitsformen kommen hinzu, Fertigungs- und Anwendungstechnologien überspringen Entwicklungsstufen, Gefährdungen und Belastungen durch Arbeit verändern sich zum Teil gravierend und von einem Tag auf den anderen. Überlagert wird das alles durch die Einflüsse der Digitalisierung, die nicht zuletzt aufgrund der Coronakrise einen enormen Schub erhielt. Direkte und indirekte Folgen wirken sich unmittelbar und branchenübergreifend auf geradezu jede Organisation aus – auch hier unabhängig davon, ob man durch Digitalisierungstendenzen des Marktes beziehungsweise der Kunden getrieben wird oder selbst Digitalisierungsprojekte startet. Das fängt beim mobilen Arbeiten an, geht weiter über einzelne digitalisierte Arbeitsschritte bis hin zu autonomen Prozessen und führt letztendlich zu einer immer engeren Vernetzung von Mensch-Maschine-Produkt.

Trotz oder ganz und gar wegen des nicht nur gefühlten Umbruchs in der Arbeitswelt sollte gerade der Arbeitsschutz als Klammer über die Gesamtgemengelage verstanden werden, vereint er doch in sich selbst das Prinzip, auf der Vergangenheit aufzubauen, die Gegenwart abzubilden und in die Zukunft vorauszuschauen. Denn unbestreitbar gilt übergreifend und uneingeschränkt, dass von Arbeit keine Gefahr ausgehen darf, Arbeitsmittel sicher nutzbar sein müssen und psychische Belastungen auf dem Weg in die neue Arbeitswelt regelmäßig zu beurteilen sind. Das alles ist nur möglich, wenn sich die Akteure bewusst auf die Entwicklungen einstellen und dafür ihre Fach-, Methoden- und Sozialkompetenz stärken, um den spezifischen Arbeitsschutzherausforderungen der Arbeitswelt 4.0 zu begegnen.

Dementsprechend müssen alle Aktivitäten ganzheitlich betrachtet werden und sollten nachhaltig auf das Ziel einzahlen, sich verändernde Gefährdungen und Belastungen frühzeitig zu erkennen, entsprechende Maßnahmen abzuleiten sowie die darin liegenden Chancen aktiv zu nutzen. Eine besondere Bedeutung kommt hierbei den Fachkräften für Arbeitssicherheit zu. Ihnen obliegt auch in der Arbeitswelt 4.0 der Präventions- und Beratungsauftrag zur Vermeidung von Arbeitsunfällen und berufsbedingten Erkrankungen. Sie unterstützen Führungskräfte und Arbeitgeber dabei, die richtigen Entscheidungen zur sicheren und gesundheitsgerechten Arbeitsgestaltung zu treffen.

Im Rahmen der neuen Arbeitswelt sind zum Beispiel Sicherheits- und Gesundheitsaspekte bereits bei der (Beschaffungs-)Planung von neuen Technologien, smarten Arbeitsmitteln oder hybriden bzw. mobilen Arbeitsformen zu beurteilen. Welche psychischen Belastungen sind zu erwarten? Wie störanfällig bzw. nutzerfreundlich ist das neue System? Welche Gesundheitsgefahren sind zu bewerten? Zur Beantwortung dieser beispielhaften Fragen sind bei der Sifa entsprechende Kenntnisse und Beurteilungskompetenzen vonnöten. Um den Beratungsauftrag angemessen erfüllen zu können, ist die aktive Auseinandersetzung mit den Einflüssen auf Sicherheit und Gesundheit, die von innovativen Technologien und neuen Arbeitsformen – wie Einsatz von KI, additiver Fertigung oder mobiles flexibilisiertes Arbeiten – ausgehen, für die Fachkraft für Arbeitssicherheit unumgänglich. Dabei steht immer die Maxime im Vordergrund: Wie sieht eine menschengerechte, sichere und gesunde Gestaltung der Arbeitsbedingungen im digitalen Wandel aus?

Fachkraft für Arbeitssicherheit 4.0

Die neue Arbeitswelt birgt zusätzliche Seiten, die den Beratungs- und Betreuungsauftrag der Sifa und damit die Zusammenarbeit der betrieblichen Arbeitsschutzakteure beeinflussen. Durch die Transformation erfahren Unternehmensstrukturen und Beschäftigungsverhältnisse Änderungen, die aufgrund der Flexibilisierung von Arbeitsorten, Arbeitsformen, Arbeitszeiten einhergehen mit neuen Führungs- und Entscheidungsprozessen. Sozio-technische Systeme mit Mensch-Maschine-Schnittstellen lösen das altbekannte soziale System „Betrieb“ ab. Neue Berufsbilder und Tätigkeitsbeschreibungen entstehen, deren Gefährdungspotential beurteilt werden muss. 

Durch den beschriebenen Wandel treten jenseits der altbekannten Aspekte wie der Beurteilung psychischer Belastungen neue Punkte zutage, die in einer Gefährdungsbeurteilung 4.0 Berücksichtigung finden müssen. Wobei auch hier Transformation als Stichwort durchaus herhalten kann: Das bekannte und bereits beherrschte Handwerkszeug kann in Kombination mit dem Wissen um die Werkzeuge, Instrumente und Systeme der sich wandelnden Arbeitswelt auf die neuen Gegebenheiten übertragen und angewendet werden. Nur beispielhaft seien angeführt:

  • Beurteilung der Arbeitsbedingungen entlang der gesamten digitalen Prozesskette 
  • Betriebssicherheit untereinander und/oder mit Dritten vernetzter Maschinen, Anlagen und Arbeitsmittel 
  • Sicherheit autonomer und selbstlernender Arbeits- und Assistenzsysteme 
  • Sicherheit technischer Assistenzsysteme wie Exoskelette 
  • Beurteilung der Auswirkungen von räumlich und/oder zeitlich flexiblem Arbeiten 
  • Beurteilung der Technologien hinsichtlich Über- und Unterforderung

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Sicherheit und Gesundheit in der digitalisierten Arbeitswelt prioritär keine technische Herausforderung darstellt. Vielmehr hat der Erfolg des kontinuierlichen und verbesserten Arbeitsschutzes in der neuen Arbeitswelt soziale und organisatorische Ursachen. Lernbereite, technologieoffene und kommunikationsstarke Akteure des Arbeitsschutzes sind dabei Garanten für das Gelingen. 

Bleiben Sie wissbegierig. 

PS: Nutzen Sie das Thüringer Arbeitssicherheitssymposium am 27.09.2022, um aus dem großen Themenfeld Arbeit 4.0 | New Work weitere Informationen zu den künftigen Ansprüchen an den betrieblichen Arbeitsschutz zu erhalten.