100 Prozent elektrisch: TÜV Thüringen macht Elektrobus von Bozankaya fit für Europa

Ein eher unkonventioneller Gast fuhr neulich nahezu lautlos auf den extra für ihn abgesperrten Parkplatz am TÜV Thüringen Service-Center Erfurt: Ein 12 Meter langer Bus mit vollelektrischem Antrieb der Firma Bozankaya hatte die weite Anreise aus der Türkei auf einem Sattelzug auf sich genommen, um von unserem Technischen Dienst Gesamtfahrzeug nach europäischen Richtlinien auf Herz und Nieren geprüft zu werden.

Der türkische Fahrzeughersteller Bozankaya zählt zu den langjährigen Kunden des TÜV Thüringen. Bozankaya stellt seit über 30 Jahren Omnibusse und Schienenfahrzeuge für den ÖPNV her. Für den türkischen Markt produzierte man anfangs Oberleitungsbusse und Straßenbahnen. Die Vision eines lokal emissionsfreien, vollelektrischen Busses mit einer praktikablen Reichweite wurde bereits vor mehr als 10 Jahren geboren und zur Marktreife geführt. Auch damals schon war die Expertise unseres Technischen Dienstes beim Typgenehmigungsverfahren gefragt. Denn Bozankaya war zu dieser Zeit längst nicht mehr nur auf den türkischen Markt fokussiert und expandierte auch nach Deutschland.

Ende Mai 2024 stellte man auf der Busworld Türkei in Istanbul die neueste Baureihe eines vollelektrischen Busses vor. Diese soll eine Strecke von über 300 Kilometern ohne Nachladung zurücklegen können, was in den meisten Innenstädten und auch auf vielen Überlandstrecken für einen Ganztageseinsatz ausreichen dürfte. Bevor der neue Bus jedoch in europäischen Städten fahren darf, muss er alle Prüfungen zum europäischen Typgenehmigungsverfahren bestehen. Unsere Fahrzeug-Experten haben auf dem Parkplatz am Standort Erfurt die Rückraumüberwachung des Busses geprüft, schließlich soll beim Zurücksetzen niemand zu Schaden kommen. Eine weitere Prüfung bedurfte einer längeren „Probefahrt“, die der Bozankaya-Bus von Erfurt über Hannover nach Bremen meistern musste. Der Gesetzgeber gibt hier eine Mindeststrecke von 400 Kilometern im Stadtverkehr, auf Landstraßen und Autobahnen vor. Dabei wurde in Zusammenarbeit mit dem Technischen Dienst des TÜV Nord auch der „Intelligent Speed-Assistent“ mitsamt Verkehrsschilderkennung unter die Lupe genommen. Mit diesem Assistenzsystem soll der Fahrer beim Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit rechtzeitig und zuverlässig gewarnt werden. Eine weitere Prüfung galt der Cyber-Security, die bei automatisierten Fahrzeugsystemen eine zunehmend wichtige Rolle spielt.

Inzwischen hat der Bozankaya Elektrobus seine Heimreise in die Türkei angetreten. Leider ist die Überführung ins mehr als 2.000 Kilometer entfernte Istanbul auf dem Sattelauflieger noch nicht emissionsfrei möglich. Wenn er an seiner Geburtsstätte angekommen ist, warten noch weitere Prüfungen auf ihn, darunter eine Leistungsmessung gemäß UN ECE-R85. Dazu werden Experten des Technischen Diensts vom TÜV Thüringen in die Türkei reisen und die Prüfung vor Ort dokumentieren.