Cannabis-Legalisierung: Gefährden bekiffte Autofahrer die Verkehrssicherheit?

Mit der vieldiskutierten Cannabis-Legalisierung will die Bundesregierung den Umgang mit Cannabisprodukten entkriminalisieren und den Schwarzmarkt bekämpfen. Das entsprechende Gesetz, das den Besitz von Cannabis straffrei macht, soll bereits zum 1. April 2024 in Kraft treten. Verkehrspsychologen und Verkehrsexperten fragen sich allerdings, ob dabei auch die Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit hinreichend berücksichtigt wurden. Studien haben gezeigt, dass der Konsum von Cannabis die Fahrtauglichkeit beeinträchtigen kann – und ähnlich wie bei Alkohol fällt es den Konsumentinnen und Konsumenten schwer, ihre Fahrtauglichkeit realistisch einzuschätzen.

Das Problem: Anders als bei Alkohol gibt es keinen einfachen Indikator, der die Stärke des Cannabis-Einflusses auf die Fahrtauglichkeit objektiv vergleichbar macht. Laut Gesetz muss das Verkehrsministerium bis Ende März einen Grenzwert ermitteln, der sich an der Promillegrenze für Alkohol orientiert. Die Definition einer passenden Obergrenze wird vor allem dadurch erschwert, dass das THC-Abbauprodukt THC-COOH je nach Konsumhäufigkeit und Konsummenge stark schwankt und teils noch Tage nach dem Konsum im Blut nachgewiesen werden kann. Die Wirkung kann bis dahin aber längst verflogen sein.

Bereits im Jahr 2016 hat eine Meta-Analyse epidemiologischer Studien gezeigt, dass der Konsum von Cannabis mit einem gesteigerten Unfallrisiko einhergeht. Die Fahrer waren unter Einfluss der Droge im Schnitt 1,5- bis 2-mal so häufig in Unfälle verwickelt wie nüchterne Fahrer (Rogeberg und Elvik, 2016). Das statistische Bundesamt verzeichnete bei Verkehrsunfällen unter dem Einfluss berauschender Mittel im Jahr 2022 erneut einen Anstieg um rund 13 Prozent, wobei Alkohol unter den „Substanzen“ mit Abstand Unfallursache Nummer Eins bleibt. Der kontinuierliche Anstieg der Unfälle mit Personenschaden unter dem Einfluss anderer berauschender Mittel, darunter auch Cannabis, ist dennoch alarmierend — er hat sich laut destatis seit 1991 mehr als verfünffacht.

Verkehrspsychologin Marie-Christin Perlich vom Institut für Verkehrssicherheit des TÜV Thüringen konkretisiert: „Was viele bei der Debatte vergessen: Es gibt aktuell bereits einen gesetzlich festgelegten Grenzwert für Cannabis von 1 ng/ml aktivem THC im Blut. Das Problem liegt meiner Meinung nach ganz anders: Wollen wir jemanden, der nahezu täglich kifft, wirklich besserstellen als einen Gelegenheits-Nutzer und ihm deshalb die Teilnahme am Straßenverkehr uneingeschränkt erlauben? Das wäre so, als ob man einem regelmäßigen Trinker höhere Promillegrenzen erlauben würde als anderen. Meiner Meinung nach sollte der Cannabis-Grenzwert so gestaltet sein, dass jede anzunehmende Gefährdung ausgeschlossen wird.“

Kaum kalkulierbare Risiken gehen auch vom sogenannten Mischkonsum aus, in dessen Folge Konsumenten sowohl unter dem Einfluss von Alkohol als auch von THC stehen. Schon heute werden laut Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) 36 Prozent aller MPU aufgrund von Drogen- und Medikamenten-Fragestellungen veranlasst. „Drogen und Medikamente“ sind damit bereits eine häufigere MPU-Ursache als Alkohol (ca. 33 Prozent). Dabei glauben viele Bürger, dass von Cannabis im Straßenverkehr weniger Gefahr als von Alkohol ausgeht: In einer repräsentativen Studie hat der TÜV-Verband ermittelt, dass nur 61 Prozent der Bundesbürger Cannabis beim Fahren als „sehr gefährlich“ einstufen, beim Alkohol sind es hingegen 79 Prozent. Aus Sicht der Expertin spielt diese Abstufung eine untergeordnete Rolle: „Im Sinne der Verkehrssicherheit bleibt festzuhalten, dass Autofahrer vollständig auf Substanzkonsum verzichten sollten – ganz egal, um welche Drogen es sich handelt. Damit soll keineswegs Cannabis verteufelt oder die Legalisierung in Frage gestellt werden, aber eine Legalisierung mit zeitgleicher Grenzwertanhebung kann ich aus verkehrspsychologischer Sicht nicht gutheißen.“