Mobilität & Verkehr Verkehr, Mobilität, Elektromobilität
IAA: Verkehrswende muss an Fahrt aufnehmen – digitale Infrastruktur muss ausgebaut werden
In München beginnt heute die IAA MOBILITY 2023. Der TÜV-Verband hat aus diesem Anlass eine Beschleunigung der Verkehrswende gefordert. „Automobilmessen wie die IAA müssen neben wirtschaftlichen und technischen Aspekten verstärkt die Themen Nachhaltigkeit und Teilhabe aufgreifen“, sagt Richard Goebelt, Fachbereichsleiter Fahrzeug und Mobilität des TÜV-Verbands. „Folgerichtig entwickelt sich die IAA immer mehr von einer Automobil- zu einer ganzheitlichen Verkehrsmesse. Die Hürden für eine Veränderung des individuellen Mobilitätsverhaltens sind nach wie vor hoch. Die Politik muss bessere Rahmenbedingungen schaffen – vom Ausbau einer sicheren Radinfrastruktur über integrierte Verkehrskonzepte bis zu finanziellen Anreizen für die Nutzung von Elektrofahrzeugen. Aber auch die Hersteller sind gefordert, die Mobilitätswende mit bezahlbaren Modellen in allen Fahrzeugklassen voranzutreiben.“
Car-to-X-Technologie: Chance für die Verkehrssicherheit
Aus Sicht des TÜV-Verbands ist für ein sicheres und zukunftsfähiges Verkehrssystem eine digitale Verkehrsinfrastruktur von zentraler Bedeutung. „Die Car-to-X Technologie kann perspektivisch ein Meilenstein für eine spürbare Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit werden“, sagt Goebelt. In einem intelligenten Verkehrssystem werden Fahrzeuge untereinander vernetzt und mit einer modernen Kommunikations- und Dateninfrastruktur verbunden. „Verkehrsteilnehmende erhalten Hinweise über den Zustand der Fahrbahnen und werden vor Staus, Unfällen oder Fahrzeugpannen gewarnt. So können Problemen wie Verkehrsüberlastung und schädliche Emissionen reduziert werden“, sagt Goebelt. In Verbindung mit Smart City Lösungen ermöglicht die Car-to-X-Technologie zum Beispiel das einfache Auffinden freier Parkplätze oder öffentlicher E-Ladesäulen. „Die aktuelle Umbruchphase hin zu einer vernetzten Mobilität bietet einigen Marktteilnehmern große Zukunftschancen“, sagt Goebelt. In der EU mit ihrem umfangreichen grenzüberschreitenden Verkehr sollten intelligente Verkehrssysteme harmonisiert eingeführt werden. Voraussetzung dafür ist die Bereitstellung der notwendigen Funkfrequenzen.
Automatisiertes Fahren und Zugang zu Fahrzeugdaten
Angesichts der Einführung autonom fahrender Shuttle im Straßenverkehr bestehen aktuell noch einige Ungewissheiten. Wo sich jedoch die Beteiligten bereits einig sind: Der Schlüssel zum Erfolg ist die Sicherheit der Fahrzeuge. „Bei der Einführung autonomer Fahrzeuge fällt der Begutachtung und Genehmigung der Systeme eine Schlüsselrolle zu“, sagt Goebelt. „Die Automobilindustrie steht angesichts der digitalen und vernetzten Systeme vor der Herausforderung, Entwicklungs-, Zulassungs- und Prüfverfahren von Fahrzeugen und Mobilitätsdienstleistungen anzupassen.“
Neue Testverfahren werden benötigt, um die Einhaltung von sicherheitsrelevanten Vorschriften zu gewährleisten sowie Fehlfunktionen, Verschleiß und Manipulationen von automatisierten Fahrfunktionen bewerten zu können. Sicherheitsrelevante Funktionsupdates für Kraftfahrzeuge werden in Zukunft vermehrt online verfügbar sein und aufgespielt werden. „Um das Vertrauen der Nutzer:innen für automatisiertes Fahren zu gewinnen und Missbrauch zu verhindern, müssen Behörden und Prüfinstitutionen auf unveränderte Fahrzeugdaten zugreifen können“, sagt Goebelt. Dafür seien gesetzliche Regelungen für den Datenzugang im Mobilitätssektor sowie robuste Datenschutz- und Cybersecurity-Mechanismen unerlässlich. „Leider wurde bei der politischen Einigung zum europäische Data Act jüngst die Chance vertan, entsprechende Datenzugangsrechte im öffentlichen Interesse zu etablieren“, kritisiert Goebelt. Die Fahrzeughersteller sind gefordert, sichere digitale Schnittstellen zu schaffen und diese für Prüfinstitutionen zu öffnen. Die beteiligten Akteure müssen sich auf Standards einigen, die von der Branche breit unterstützt werden.
Elektromobilität: Fahrzeughersteller lassen Gebrauchtwagenmarkt außer Acht
Auch 2023 ist E-Mobilität daher ein Hauptthema der IAA. Die Zulassungszahlen von rein batterieelektrischen Fahrzeugen sind in den vergangenen Jahren rapide gestiegen. In den kommenden Jahren wird folglich der Gebrauchtwagenmarkt für batterieelektrische Modelle deutlich wachsen. „Bislang vernachlässigen die Fahrzeughersteller den Gebrauchtwagenmarkt für E-Fahrzeuge“, sagt Goebelt. „Langfristig erfolgreich werden nur solche E-Auto-Modelle sein, die auch als Gebrauchtwagen erhältlich sind. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Antriebsbatterie. Wenn Gebrauchtwagenkäufer befürchten müssen, dass sich die Batteriequalität und somit auch die Reichweite sich deutlich verschlechtert hat, werden sie davor zurückschrecken, ein gebrauchtes E-Fahrzeuge zu kaufen.“ Mit ihren erweiterten Batteriegarantien tragen die Fahrzeughersteller den Bedenken der Autokäufer über den Zustand der Antriebsbatterie bisher nur unzureichend Rechnung.
Eine transparente Bewertung von Fahrzeugbatterien steigert das Vertrauen in gebrauchte E-Fahrzeuge. Und auch für die erfolgreiche Kreislaufwirtschaft von Batterien aus Elektrofahrzeugen werden verlässliche und präzise Bewertungsmethoden gebraucht. „Damit sich die Zweitnutzung von Hochvoltbatterien ökonomisch rechnen kann, muss klar sein, was die gebrauchten Batterien noch leisten können“, sagt Goebelt. Der TÜV-Verband fordert bereits seit längerem einen diskriminierungsfreien Zugang zu Batteriedaten und setzt sich für die Entwicklung objektiver sowie vergleichbarer Bewertungsmaßstäbe für den Batteriezustand ein. Dafür hat der Verband bereits Mindestanforderungen definiert, welche Daten vom Fahrzeughersteller diskriminierungsfrei zur Verfügung gestellt werden müssten, damit ein State-of-Health verlässlich bestimmt werden kann.
Start-up Challenge auf der IAA
Neben etablierten Unternehmen werden auf der IAA Mobility 2023 auch internationale Start-ups ihre Ideen für digitale und klimafreundliche Mobilität vorstellen. Beim IAA Mobilitython stellt u.a. TÜV NORD Start-ups eine Entwicklungsaufgabe, die im Rahmen eines Wettbewerbs gelöst werden soll. Ziel ist es, eine Lösung für den Datenaustausch zwischen Prüforganisationen und Werkstätten bzw. Autohäusern zu entwickeln, um den Einsatz von Sachverständigen für die Prüfung von Fahrzeugen besser planen zu können. Mit dem Sieger wird TÜV NORD im Anschluss an die IAA das Projekt praktisch umsetzen.