Wasserstoff, Energiewende
Wasserstoffnetz 2.0: TÜV Thüringen unterstützt Studie zum Energieträger der Zukunft in Mitteldeutschland
Die als Energiewende bezeichnete Abkehr von fossilen Brennstoffen ist nicht nur mit großen Herausforderungen, sondern auch mit vielen Fragezeichen versehen. Wasserstoff gilt unter Experten als Energieträger der Zukunft, denn mit seiner Hilfe lässt sich Energie dauerhaft speichern und auf ganz ähnliche Art und Weise transportieren wie bei fossilen Brennstoffen. Doch bevor Szenarien zur flächendeckenden Verfügbarkeit und damit zur Nutzbarkeit von Wasserstoff in der Breite Realität werden können, müssen eine Vielzahl von Voraussetzungen erfüllt werden. Was dabei konkret benötigt wird und wie sich die Energie-Infrastruktur in Thüringen und Mitteldeutschland verändern muss, wurde nun durch die Studie „Wasserstoffnetz Mitteldeutschland 2.0“ untersucht und definiert. Diese wurde mit Unterstützung des TÜV Thüringen gemeinsam von der Europäischen Metropolregion Mitteldeutschland, dem Wasserstoffnetzwerk HYPOS, der DBI-Gruppe und der INFRACON im Auftrag von 54 privatwirtschaftlichen und öffentlichen Partnern* in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen durchgeführt.
Schon im Vorfeld der Arbeit wurden umfangreiche Studien zu verschiedenen Ausbauszenarien in Abhängigkeit von möglichen Dekarbonisierungspfaden erstellt. In allen Szenarien spielt Wasserstoff eine zentrale Rolle, weil er gut erzeugbar, gut speicherbar und über eine bereits bestehende Infrastruktur transportierbar ist. Erste Pilotprojekte wurden in verschiedenen Sektoren bereits umgesetzt, womit die grundlegende Machbarkeit unter Einhaltung von spezifischen Rahmenbedingungen nachgewiesen wurde. Der TÜV Thüringen ist unter anderem an der Wasserstoff-Befähigung der früheren Erdgas-Kaverne Bad Lauchstädt, in der bis zu 50 Millionen Kubikmeter Wasserstoff gespeichert werden können, aber auch an mehreren anderen Projekten beteiligt und konnte seine enorme Kompetenz in Sachen Anlagensicherheit einbringen.
Für den Hochlauf der Technologien und die Skalierung der einzelnen Anwendungen werden Europa und Deutschland auf eine Kombination aus Eigenerzeugung und Import setzen. Voraussetzung ist das Vorhandensein einer leistungsfähigen Infrastruktur, die in Summe ein europäisches Wasserstoffnetz darstellen wird: Der European Hydrogen Backbone (EHB) wird hauptsächlich auf Bestandsleitungen der Erdgasinfrastruktur aufbauen und um einzelne Leitungsabschnitte im Neubau ergänzt. Insgesamt soll die Länge bis 2040 auf über 54.000 Kilometer anwachsen.
Schon aufgrund seiner zentralen Lage spielt auch Deutschland eine wichtige Rolle für den EHB. Die Planungen für das deutsche Wasserstoffkernnetz sind weitgehend abgeschlossen und befinden sich derzeit in der Prüfungsphase durch die Bundesnetzagentur. An dieses Fernleitungsnetz werden Verteilnetze angeschlossen, mit denen einzelne Großabnehmer sowie Stadtwerke versorgt werden. Für Mitteldeutschland hat sich 2023 ein Konsortium aus 54 Netzbetreibern, Bedarfsträgern und Erzeugern sowie Unterstützern aus der Region zusammengeschlossen und die Gemeinschaftsstudie „H2-Netz Mitteldeutschland 2.0“ durchgeführt. Sie ist bundesweit die bisher größte ihrer Art.
Der TÜV Thüringen unterstützte die Studie als einzige Überwachungsorganisation. Ein Teil der Netzstudie ist auch das bereits in der Umsetzung befindliche Projekt TH2ECO, welches ebenfalls vom TÜV Thüringen als ideeller Partner begleitet wurde. Für dieses Projekt wurden bereits jetzt Planungserweiterungen nach Süden und Norden bekanntgegeben.
Zu den Studienergebnissen zählt die Erkenntnis, dass der Bedarf einzelner Sektoren deutlich höher als in früheren Szenarien prognostiziert sein kann. Der Netzentwicklungsplan muss daher regelmäßig an die tatsächlichen Bedarfe angepasst werden. Für den Betrachtungsraum Mitteldeutschland weist die Studie bis 2045 einen Bedarf von etwa 1.100 Kilometer Wasserstoffleitung mit einem Druck von über 16 bar aus. Für rund 51 Prozent dieser Leitungen kann bestehende Infrastruktur umgestellt werden, bei den verbleibenden 49 Prozent ist ein Neubau erforderlich. Die in den Städten und Gemeinden vorhandenen Netze sind hierbei noch nicht mitbetrachtet. Im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung werden diese Netze an den dann entstehenden Bedarf angepasst. Der TÜV Thüringen arbeitet bereits mit einzelnen Netzbetreibern an deren Umstellungskonzepten und bewertet diese.
Ausschlaggebend für die Umsetzung der ehrgeizigen Ziele wird einerseits die Verfügbarkeit von dekarbonisiertem Wasserstoff aus erneuerbaren Energiequellen sein, andererseits wird die Preisbildung für den Endverbraucher die Nachfrage bestimmen. Die Entwicklung bleibt also spannend – und nicht nur für die Experten des TÜV Thüringen lautet die Devise „Nach der Studie ist vor der Studie“: Schon jetzt ist klar, dass die nun präsentierten Erkenntnisse zur Basis für weitere Studien werden, in denen diverse Einzelaspekte der Energiewende genauer untersucht werden.
*Die Studienpartner im Überblick (jeweils in alphabetischer Reihenfolge):
Netzbetreiber: Gasversorgung Dessau GmbH, Energie- und Wasserversorgung Altenburg GmbH, Energie Mittelsachsen GmbH, EW Eichsfeldgas GmbH, Ferngas Netzgesellschaft mbH, inetz GmbH, Mitteldeutsche Netzgesellschaft Gas mbH (MITNETZ), Ohra Energie GmbH, ONTRAS Gastransport GmbH, Städtische Werke Magdeburg GmbH & Co. KG, Stadtwerke Jena Netze GmbH, Stadtwerke Schkeuditz GmbH, TEN Thüringer Energienetze GmbH & Co. KG
Bedarfsträger/Erzeuger: ARYZTA Bakeries Deutschland GmbH, BMW AG Werk Leipzig, Energieversorgung Gera GmbH, EWI Energie- und Wasserstoffallianz im Industriebogen Meißen, Mitteldeutsche Flughafen AG, Harry-Brot GmbH, Härterei Reese Weimar GmbH & Co. KG, Hydro Aluminium Gießerei Rackwitz GmbH, HH2E AG, ITEL – Deutsches Lithiuminstitut GmbH, Kartonfabrik Porstendorf GmbH, Landkreis Altenburger Land, Lausitz Energie Kraftwerke AG (LEAG), Leipziger Messe GmbH, Linde GmbH, MAXIMATOR Hydrogen GmbH, MEWA Textil-Service SE & Co. Deutschland OHG, MIBRAG GmbH, Model Sachsen Papier GmbH, JUWI GmbH, Nobian GmbH, SCHWENK Zement GmbH & Co. KG, SKW Stickstoffwerke Piesteritz GmbH, Stadtwerke Halle GmbH, Stadtwerke Merseburg GmbH, Stahlwerk Thüringen GmbH, Steinzeug-Keramo GmbH, Südzucker AG, VNG AG
Unterstützer: Entwicklungsgesellschaft Niederschlesische Oberlausitz mbH, Fernwasserversorgung Elbaue-Ostharz GmbH, Görlitzer Verkehrsbetriebe (GVB), Landkreis Saalfeld-Rudolstadt, Sächsische Agentur für Strukturentwicklung GmbH (SAS), Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft (SMEKUL), Stadt Leipzig, Amt für Wirtschaftsförderung, Standortentwicklungsgesellschaft Mansfeld-Südharz mbH, TGA Energietechnik Wittenberg GmbH, Thüringer Energie- und GreenTech-Agentur GmbH (ThEGA), TÜV Thüringen e.V., WFG – Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH des Landkreises Nordsachsen